Napapijri Bulletin ist ein monatliches redaktionelles Projekt, das außergewöhnliche Geschichten von außergewöhnlichen Menschen erzählt. Moderne Entdecker, Freunde der Marke, kulturelle Ikonen: Jeden Monat feiert The Bulletin diejenigen, die es wagen, die bekannten Landkarten zu verlassen, um unerwartete Territorien zu erkunden.

Marco Rossi und sein Haus der Bücher in der Arktis

Marco Rossi war Manager bevor er seinen sicheren Hafen am Ufer des Lago Maggiore verließ. Zunächst bereiste er mit seinem Motorrad einen großen Teil der weltweiten Landmasse und ging dann an Bord der Swan 44 Cadeau, mit der er über 25 Jahre lang die Weltmeere besegelte. Viele außergewöhnliche Orte hat er für immer in sein Herz geschlossen: Alaska und Patagonien, genauso wie Kanada und Norwegen. Dort, am Rande des nördlichen Polarkreises, fand er die Insel, auf der er seinen Anker auswerfen konnte.

Der Wechsel vom Land auf das Meer, vom Motorrad auf das Boot erscheint sehr plötzlich. Wie kam es dazu?

Ich hatte schon länger über ein Boot nachgedacht und verfügte dank eines Kurses an der Caprera Segelschule, und da ich einige Zeit auf einem kleinen Boot verbracht hatte, ohnehin über ein paar nautische Grundkenntnisse. Mein Motorrad hatte ich in Seattle zurückgelassen, um auf der Baffin Island eine Wanderung am Fuß des steilsten Berges der Welt zu machen. Im darauffolgenden Winter bin ich zurückgekehrt, um mein Bike abzuholen. Am Hafen entdeckte ich die Cadeau, die von einem Händler zum Verkauf angeboten wurde, und kaufte sie ohne zu zögern. Von da an begann meine Segelfahrt nach Alaska und meine Leidenschaft für die Kälte.

Was bedeutet die Kälte für dich?

Die Kälte ist etwas, vor dem wir Menschen uns schützen müssen. Sie zwingt uns, Kleidung zu erfinden, die uns wärmt, und gemütliche Umgebungen zu schaffen. Und in einer Gemeinschaft zu leben. Ich liebe die menschliche Wärme, die entsteht, wenn man zusammen am Lagerfeuer sitzt. Die Kälte bringt uns dazu, erfinderisch zu sein und soziale Kontakte zu knüpfen.

Wie bist du auf Vannvåg, „deiner“ Insel, gelandet?

Ich kam mit dem Boot an. Sie ist eine der schönsten und wildesten Inseln, die ich jemals gesehen habe. Von den Berggipfeln kann man den majestätischen blauen Ozean sehen. Und gleichzeitig ist man nur wenige Stunden von Tromsø, der Zivilisation und dem Flughafen entfernt. Ich war auf der Suche nach einem Ort, um mein Projekt „Nordlight“ zu verwirklichen: ein Gästehaus und eine Basis für Segeltörns. Mein Docknachbar stellte für mich den Kontakt zu den Einheimischen her: Nach fünf Abendessen und mehreren Flaschen Wein merkte er, dass ich es ernst meinte, also sprach er mit seinen Verwandten, die hier leben. Die ganze Inselgemeinschaft kam zusammen, stimmte für meine Idee und hieß mich willkommen.

Was ist der Unterschied zwischen Segeln und dem Leben auf einer Insel?

Wir befinden uns am östlichen Ende der Insel, der Spitze, wo es am stürmischsten ist, die aber auch nur zehn Minuten Fahrt vom Hafen entfernt ist, wo das Boot liegt. In diesen Breiten segelt man, wenn man auf dem Boot ist, aber auch wenn man zu Hause ist und den wilden Ozean vom Fenster aus beobachtet. Auf Vannvåg herrscht ein perfektes Gleichgewicht zwischen Wohnen und Segeln.

Was gibt dir das Gefühl, Teil der Gemeinschaft zu sein?

Hier muss das Licht in den Häusern an bleiben. Denn falls sich jemand verirrt, findet er oder sie immer ein Haus und ein Licht. Es gibt ein Kerzenritual, wie in den Häusern der Walfänger: Wenn sie aufbrachen, ließen sie eine Kerze brennen.

Wie ist der arktische Winter so?

Von September bis März ist die Zeit der Nordlichter, und der Ankunft der Orcas. Es ist nie komplett dunkel, wir haben immer vier Stunden Licht. Am 25. November sieht man die Sonne zum letzten Mal untergehen und rund um den 25. Januar geht sie wieder auf. Wenn der Himmel klar ist, wird man in diesen vier Stunden mit einem endlosen Sonnenaufgang bzw. Sonnenuntergang belohnt.

Du hast ein sogenanntes Haus der Bücher auf Vannvåg errichtet. Wie kam es dazu?

Es sollte überall ein Haus der Bücher geben: Die Gründung einer Bücherei ist eines der schönsten Dinge auf der Welt. Auf der Insel können wir nichts säen, da fast nichts wächst, und das was wächst, wird vom Wind weggetragen. Aber wir können säen, was wir sind, wir können Kultur säen. So kam die Idee, ein weiteres Licht in der arktischen Dunkelheit zu entzünden: ein Raum für Bücher über das Reisen und das Meer, die Geschichten über die Arktis und die Einheimischen erzählen, über den Ozean und seine Wellen. Ein Rückzugsort für die Inselbevölkerung, für neugierige Menschen und Leseratten, die die Insel entdecken möchten.
Er steht allen offen, wie eine Kirche.